Überwältigt vom grossen Unterschied
- Ariel Blumenthal
- Nov 12, 2021
- 4 min read

Anmerkung der Redaktion: Ariel und seine in Israel geborene Frau Vered sind Leiter des Zweiges von Revive Israel/Tikkun Global in der Innenstadt von Jerusalem und ausserdem Älteste in der Gemeinde „Ahavat Yeshua“. Die radikale Einheit von Juden und Heiden in Jeschua (Jesus) liegt ihnen ganz besonders am Herzen. Dies ist Ariels Geschichte. Geniesst sie.
Ich wuchs in einem vom Reformjudentum geprägten Zuhause in Connecticut, USA auf. Ich hatte in der High School hervorragende Noten und wurde an der Duke-Universität angenommen, wo ich mein Ingenieurstudium begann. Als ich jedoch an einem späten Abend Ende 1985 über Teilen eines Programmcodes auf meinem Apple IIc grübelte, dachte ich: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine ganze Zeit damit verbringen möchte, Zahlen und Code zu verarbeiten; es muss mehr im Leben geben!“
Meine Suche nach einem tieferen Sinn im Leben begann genau zu diesem Zeitpunkt. Sie führte mich in die Weite und Ferne. Irgendwann bin ich auf den Kurs „Einführung in die Religionen Asiens“ gestossen. Der Professor war ein gläubiger Kenner des tibetischen Buddhismus, den er mit Gespür und Leidenschaft lehrte. Ich war begeistert! Die Vier Edlen Wahrheiten sprachen mich in intellektueller Hinsicht und in meinem zunehmend hoffnungslosen Kampf um Sinnfindung zutiefst an. Meine Faszination für den Buddhismus brachte mich bald mit Japan in Verbindung. Ich beschloss, mein drittes Studienjahr dort zu verbringen und lernte schnell und mit Leichtigkeit Japanisch; es war fast so, als würde ich mich an die Sprache erinnern, statt sie zum ersten Mal zu lernen. Ich habe morgens und abends meditiert. Viele meiner japanischen Freunde waren davon überzeugt, dass ich die Reinkarnation eines japanischen buddhistischen Mönchs war!
Nachdem ich an der Duke-Universität meinen Abschluss gemacht hatte, kehrte ich nach Japan zurück, um im abgelegenen Yamaguchi Englisch zu unterrichten. Meine Verliebtheit in den Buddhismus begann jedoch bald zu schwinden, und ich kämpfte mit lähmender Einsamkeit.
Eines Nachts im Herbst 1991 stand ich auf einem Hügel in der Nähe meiner japanischen Wohnung und blickte himmelwärts zu den Sternen. Ich war verzweifelt und betete zum ersten Mal in meinem Leben in bewusster Absicht: „Gott, ich weiss nicht, wer du bist oder ob du überhaupt existierst, aber jemand muss hinter diesem unglaublich schönen Universum stehen; ich bin verloren, verwirrt und weit weg von zu Hause; ich weiss nicht, wer ich bin. Wenn es dich wirklich gibt, hilf mir bitte!“
Ein paar Monate später fand ich eine Anstellung bei einer kleinen Firma in Tokio, bei der auch einige Christen arbeiteten. Als sie herausfanden, dass ich Jude war, fingen sie an, mit mir über Menschen, Orte und Ereignisse in der Bibel zu sprechen – in der Annahme, dass ich wüsste, wovon sie redeten. Es war mir peinlich, dass ich so wenig über mein eigenes Erbe wusste. Christen fingen an, diesen Juden zur Eifersucht zu reizen (Römer 11,11).
Ich kaufte eine englische Bibel und begann, sie von Genesis an zu lesen. Sofort fiel mir der grosse Unterschied zwischen der erhabenen Logik der biblischen Erzählung und den im Vergleich dazu verworrenen, animistischen Mythen aus Indien, Tibet, China und Japan auf, die ich studiert hatte. Der Glaube begann Wurzeln zu schlagen. Ich spürte, dass ich das wahre Zeugnis des Schöpfers und des Gottes meiner Väter Abraham, Isaak und Jakob las.
Meine Kollegen luden mich in den Gottesdienst ein. Junge Leute aus der ganzen Welt versammelten sich in einer Halle im Untergeschoss, wo ich zum ersten Mal die gute Nachricht von Jeschua, dem Messias, hörte. Ich freundete mich schnell mit einem jungen Koreaner an. Ich wusste, wie sehr die Koreaner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter japanischer Aggression und Grausamkeit gelitten hatten. Als ich meinen Freund fragte, wie er es schaffte, in echter Harmonie mit den Japanern zu leben, sagte er: „Es ist ganz einfach: Jeschua hat mir meine Sünden vergeben und nun muss ich allen vergeben, sogar den Japanern.“
„Aber“, antwortete ich, „warum musst du ihnen vergeben? Du warst noch nicht einmal auf der Welt, als all diese Dinge vor 70 Jahren passierten.“
„Ich weiss“, sagte er, „aber der Hass auf die Japaner wurde an uns weitergegeben und ist Teil unserer koreanischen Identität geworden. Aber im Messias müssen wir vergeben, wir müssen weitergehen, wir müssen gemeinsam eine neue Zukunft gestalten.“
Nun, ich als Jude wurde sozusagen „überführt“. In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Ich war von meiner Erziehung her mit der Tragödie des Holocaust wohl vertraut; als ich aufwuchs, empfand ich immer dann, wenn ich etwas hörte, das wie Deutsch klang, ein beklemmendes Gefühl drohenden Unheils. Vergeben? Können wir den Nazis vergeben? Ein Ding der Unmöglichkeit!
Die ganze Nacht rang ich mit Gott und mit mir selbst, während ich tief in meinem Herzen eine vielfache mangelnde Vergebungsbereitschaft entdeckte. Ich kannte die Herausforderung: „ ... Wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,14-15). Alles, was ich tun konnte, um endlich etwas Ruhe zu finden, war zu beten: „Gott, wenn Jeschua wirklich der Messias und Retter ist und der einzige, der unsere Sünden vergeben kann, dann will ich das wissen, dann muss ich das wissen.“
Ein paar Wochen später, im Juni 1992, besuchte ich einen besonderen Evangelisations-Gottesdienst mit einem Passionsspiel, in dem dargestellt wurde, wie Jeschua lehrte, Kranke heilte und seinen Kritikern antwortete; und wie er am Ende verraten, vor Gericht gestellt und zum Tod am Kreuz verurteilt wurde. Während ich zusah, fing ich an zu weinen und zu schluchzen wie ein kleines Kind. Als die römischen Wachen ihn auspeitschten, sagte eine starke innere Stimme, die nicht über den üblichen „Kanal“ meines bewussten Denkens kommunizierte, zu mir: „Durch seine Wunden bist du geheilt…“ Ich war erschrocken und wusste mit absoluter Sicherheit, dass Gott mit mir sprach.
Ich sagte: „Okay, Gott… ich bin bereit, dir zu folgen.“ Sofort fühlte ich mich überwältigt, auf eine physische und kraftvolle Weise, von innen heraus. Mein kaltes, jüdisch-buddhistisches Herz aus Stein wurde entfernt – ich wurde wiedergeboren und erhielt ein neues, lebendiges Herz durch den Heiligen Geist. Mir wurde die Gnade zuteil, für meine Sünden Busse zu tun, den Herrn Jesus zu empfangen und durch Ihn die Vergebung der Sünden zu erhalten. Ich begann, Japanern und Ausländern das Evangelium zu verkünden und wurde im Pazifischen Ozean getauft.
Wo immer mich der Herr seitdem hingestellt hat, trete ich mit meiner „doppelten“ jüdisch-heidnischen Identität „in die Bresche“.